PSA-Screening: Nutzen oder Risiko?

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Früherkennung von Prostatakrebs

Der so genannte PSA-Test soll bei der Früherkennung von Prostatakrebs helfen. Doch darüber gibt es in der Wissenschaft weltweit eine kontroverse Debatte. Nützt ein solcher Test dem Patienten tatsächlich? Oder übersteigt das Risiko durch Überdiagnose und Übertherapie den Nutzen bei Weitem?

Nutzen von Untersuchungen abwägen

Medizinische Praevention dient dazu, gefährliche Erkrankungen nach Möglichkeit zu verhindern bzw. sie so frühzeitig zu erkennen, dass durch entsprechendes Risikomanagement oder Einleitung einer Therapie eine Heilung erreicht werden kann.

Gerade in der Krebsfrüherkennung kann die moderne Medizin in den letzten Jahren enorme Fortschritte verzeichnen. Mit vielen Untersuchungen können Patienten bei dem Wunsch, gesund zu bleiben, unterstützt werden.

Ist die Effektivität einer Früherkennungsmaßnahme jedoch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, gilt es, den tatsächlichen Nutzen gegenüber den möglichen Schäden für den Patienten genau abzuwägen.

PSA-Screening zur Früherkennung von Prostatakrebs

Auf Lebenszeit betrachtet werden 2-3% aller Männer an einem Prostatakarzinom versterben. Der vermutete Nutzen eines PSA-Screenings beruht auf folgender Annahme:

Ein frühzeitig entdeckter Prostatakrebs, der nicht erst nach Auftreten von Symptomen diagnos­tiziert wird, kann erfolgreicher, mit weniger aggressiven Therapien und damit geringeren Nebenwirkungen behandelt werden.

PSA Test

Das Prostata-spezifische Antigen (PSA) ist ein Eiweiß, das von den Zellen der Prostata gebildet wird. Es dient der Verflüssigung des Samens im Prostatasekret. In geringen Mengen tritt es auch ins Blut über und lässt sich daher mit einer einfachen Blutprobe im Labor nachweisen.

Das PSA ist ein wichtiger, aber nicht unumstrittener laborchemischer Marker für Erkrankungen der Prostata, besonders bei Prostatakrebs.

Die PSA-Konzentration ist bei Prostatakrebs in der Regel erhöht. Ein erhöhter Wert kann aber auch andere Ursachen haben. So zum Beispiel eine Harnwegsinfektion, eine Entzündung der Prostata oder eine gutartige Prostatavergrößerung. Auch mechanische Belastungen (Rad­fahren) oder Sex am Vorabend kommen als Auslöser eines PSA-Anstiegs infrage.

Kontroverse Debatte: Kritik an Studien

Aber nützt ein solcher Test dem Patienten tatsächlich? Oder ist gar das Gegenteil der Fall? Übersteigt das Risiko durch Überdiagnose und Übertherapie den Nutzen bei Weitem? Darüber wird in der Wissenschaft kontrovers debattiert.

Gegenstand der Diskus­sion sind vor allem zwei große Studien: die europäische ERSPC-Studie (European Randomized Study for Prostata Cancer) sowie die US-amerikanische PLCO-Studie (Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial), die vom Nationalen Krebsforschungsinstitut der USA (NCI) koordiniert wird.

Im Gegensatz zur US-amerikanischen Studie fand die europäische ERSPC-Studie beim 11-jährigen Follow-up der durchschnittlich 60 Jahre alten Männer eine Reduktion der durch Prostatakrebs bedingten Sterblichkeit um rund 25%. Ein beeindruckender Wert, der sich jedoch ganz erheblich relativiert, wenn man die zugrundeliegenden absoluten Zahlen betrachtet.

PSA-Screening: Zweifel am Nutzen

Von 1.000 Männern in der Kontrollgruppe gab es im Beobachtungszeitraum 4 Todesfälle durch Prostatakrebs, knapp unter 3 waren es in der Screening-Gruppe. Im Klartext bedeutet dies, dass in der Gruppe, die am PSA-Screening teilnahm, 1 von 1.000 Männern weniger an der Erkrankung starben.

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Vor dem Hintergrund solcher Ergebnisse darf bezweifelt werden, dass ein PSA-Screening sinnvoll ist bzw. dem einzelnen Patienten tatsächlich einen Nutzen bringt. Im Gegenteil: Der Test und die vielfach daraus resultierenden Übertherapien bergen oftmals sogar irreversible physische und psychische Schäden.

PSA-Test nicht fehlerfrei

Wie für jedes medizinische Testverfahren gilt auch für den PSA-Test, dass er nicht fehlerfrei ist, sondern falsch-negative oder falsch-positive Ergebnisse liefern kann.

Einerseits schließt ein PSA-Wert im Norm­bereich einen Tumor nicht sicher aus. Andererseits deutet ein Anstieg des PSA-Spiegels im Blut nicht zwangsläufig auf ein Karzinom hin (siehe Kasten oben).

In den genannten Studien erhielten 240 von 1000 Männern ein positives Testergebnis („PSA erhöht“), das in 140 Fällen jedoch falsch-positiv war. Diese 140 Männer wurden damit nicht nur enormen Ängsten, sondern auch einer meist als sehr unangenehm empfundenen Biopsie ausgesetzt, die bei 2 bis 6 Betroffenen zu einer Prostataentzündung führte.

Nicht jeder Prostatakrebs ist bedrohlich

Bei 100 von 1000 Männern fand sich in der Biopsie tatsächlich Krebs, der allerdings in ca. 50% der Fälle niemals Beschwerden verursacht hätte. In diesem Fall spricht man von „Überdiagnose“. Denn die Mehrzahl der Prostatatumore wachsen entweder nicht oder nur langsam und sind damit klinisch nicht relevant. Betroffene Männer würden im Laufe ihres Lebens keine Symptome entwickeln und damit zwar mit, nicht aber an ihrem Prostatakarzinom sterben.

Auch eine Gewebeprobe gibt keine absolute Sicherheit darüber, ob es sich um einen solchen oder aber um einen aggressiven und schnell wachsenden Tumor handelt. Deshalb wurden 80 von 100 Männern mit nachgewiesenem Prostatakarzinom radikal operiert oder mit Strahlentherapie behandelt. Von diesen hatten nach der Behandlung ca. 75% eine erektile Dysfunktion oder eine Inkontinenz.

Etwa 40 von 1.000 Männern, die am PSA-Screening teilnahmen, wurden aufgrund von nicht bedrohlichen Tumoren operiert bzw. erhielten eine Strahlen- oder Chemotherapie.

PSA-Test: Schaden durch Überdiagnosen und Übertherapien

Somit entsteht der größte Schaden des PSA-Tests durch solche Überdiagnosen und Übertherapien. Dazu existieren Hochrechnungen. Diese ergeben: Auf einen Patienten, der dank Test länger lebt, kommen zwischen 30 und 40 Patienten, die die Diagnose Prostatakrebs und die Folgen der Therapie in Kauf nehmen müssen, ohne dass sich diese Belastungen auf ihre eigene Lebenserwartung auswirken.

Entscheidend sind Angaben zur Gesamtmortalität

In den einschlägigen Studien wird ausschließlich die krankheitsspezifische Sterblichkeit thematisiert. Dies bedeutet, dass Patienten, die an Folgen der teils auf Überdiagnose be­ruhenden Behandlung (chirurgische Komplikationen, Nebenwirkungen der Strahlen- bzw. Chemotherapie etc.) versterben, nicht berück­sichtigt werden.

Betrachtet man hingegen die Gesamtsterblichkeit, so zeigen sich diesbe­züglich keinerlei Unterschiede. Sowohl in der amerikanischen PLCO- als auch in der europäischen ERSPC-Studie verstarben im Zeit­raum von 11 Jahren 210 von 1.000 Männern aus der Screeninggruppe und 210 von 1.000 Männern aus der Kontrollgruppe.

Eben solche Informationen sind es aber, auf die der Patient ein Recht hat und die er benötigt, um nach ausführlicher Beratung durch seinen Arzt eine persönliche Entscheidung für oder gegen ei­nen PSA-Test treffen zu können.

Fazit für das Praevent Centrum

Zur Früherkennung von Prostatakrebs empfehlen wir im Praevent Centrum jedem eine regelmäßige umfassende Untersuchung. Und nicht etwa nur über den PSA-Wert. Das allein reicht nicht aus und ist nicht zuverlässig genug.

Bislang gibt es keine Evidenz, dass nur durch einen einzelnen PSA-Test Leben gerettet werden. Vielmehr können Überdiagnosen und Übertherapie zu Schäden führen, die Gesundheit und Lebensqualität betroffener Männer nach­haltig beeinträchtigen. Wenn sich im Rahmen der Anamnese Auffälligkeiten oder beispielsweise ein ererbtes Risiko zeigen, kann eine PSA-Serie – nicht ein einzelner Test – durchaus gerechtfertigt sein.

Wichtig ist in jedem Fall eine ausführliche Aufklärung, die den Nutzen und mögliche Schä­den erläutert. Sie ist die Basis dafür, ob eine PSA-Serie im individuellen Fall sinnvoll ist oder nicht. Die letztendliche Entscheidung liegt selbstverständlich immer beim Patienten selbst.